Verschwörungstheorien

von Dr. theol. habil. Haringke Fugmann

Der landeskirchliche Beauftragte für religiöse und geistige Strömungen, Kirchenrat Dr. theol. habil. Haringke Fugmann, hat zum Thema "Verschwörungstheorien einen Artikel verfasst, den wir hier in Kurzform wiedergeben. Der vollständige Artikel kann als PDF gelesen werden.

Was hat es mit Verschwörungsideologien auf sich?
Haringke Fugmann
Alles Verschwörung?
Eine Verschwörungsideologie liegt dann vor, wenn Menschen an eine
Verschwörung glauben, obwohl es dafür keine Belege gibt.
Verschwörungsideologien rund um das Corona-Virus kreisen um die
Entstehung des Virus oder haben dunkle Mächte in Verdacht, die das
Weltgeschick lenken sollen. Dabei wird z. B. gemutmaßt, dass das Virus
aus einem Genlabor in Wuhan ausgebrochen sei oder bewusst freigesetzt
wurde (aus wissenschaftlicher Sicht lässt sich die Frage, woher das Virus
stammt, bisher nicht zweifelsfrei klären). Nicht selten taucht Bill Gates
als Hauptverdächtiger heimlicher Machenschaften auf oder es wird über
die finanziellen Interessen von „Big Pharma“ und über die Rolle der
WHO in der Pandemie spekuliert. Weiter solle in der Pandemie angeblich
die Demokratie abgeschafft und/oder eine Art neue Weltregierung
errichtet werden. Als besonders problematisch erweisen sich
Verschwörungsideologien, die von einer jüdischen Einmischung
ausgehen und als antisemitisch zu bezeichnen sind. Beispielhaft sei die
QAnon-Theorie genannt, deren Anhänger*innen ein großes „Q“ als
Erkennungszeichen tragen. QAnon entstand in den sozialen Netzwerken
des Internets damit, dass sich ein*e gewisse anonyme*r Q als
vermeintlich hochrangige*r US-amerikanischer Militärangehörige*r zu
erkennen gegeben habe. Nach Q bekämpfe Donald Trump weltweit einen
„deep state“, d. h. eine internationale Gruppe von (jüdischen)
Verschwörern, Satanisten und Kinderschändern. Damit greift QAnon in
abgewandelter Form die alte antisemitische Verschwörungsideologie von
der Entführung und vom Ritualmord von Kindern durch Juden auf.
Warum glauben Menschen so etwas?
Verschwörungsideologien haben immer Hochkonjunktur, wenn eine
Gesellschaft in der Krise ist. Das sieht man jetzt deutlich: Menschen
haben Angst um ihr Leben, viele fühlten sich gerade während des
strengeren Lockdowns alleingelassen, Grundrechte wurden eingeschränkt. In solchen Situationen will man verstehen, was los ist, will
man das Gefühl haben, wenigstens ein bisschen Kontrolle über sein
Leben zu haben, will man seinen Ängsten etwas entgegensetzen. Genauda setzen Verschwörungsideologien an, indem sie eine Erklärung
anbieten, die einfach ist, angeblich Sinn herstellt und die eigenen Ängste
reduziert. Das Gefährlich daran ist, dass Menschen dadurch stark
emotionalisiert werden und dann schnell einem angeblichen Sündenbock
die Schuld geben, was zu einer Polarisierung der Gesellschaft führt.
Wie geht man damit um?
Viele Menschen machen sich zur Zeit sorgen, weil sich ein
Familienmitglied zusehends tiefer in Verschwörungsideologien
verstrickt. Sie stellen vielleicht einen regelrechten Persönlichkeitswandel
fest und es kommt zu immer mehr Streitigkeiten rund um dieses Thema.
Hier kann man schlecht einen allgemeinen Rat geben, aber als Faustregel
lässt sich sagen: Solange jemand noch nicht tiefer darin verstrickt ist,
kann man ihn oder sie oft noch mit rationalen Argumenten und kritischen
Rückfragen erreichen – solange man nicht den*die Besserwisser*in gibt
und die Sache damit noch schlimmer macht. Wenn jemand hingegen
sowieso schon seit Jahren an Verschwörung glaubt, ist es viel schwieriger.
Im Zweifelsfall gibt es Fachstellen, an die man sich wenden kann, aber
auch von ihnen sollte man keine Wunder erwarten, solange die besagte
Person nicht gesprächsbereit ist.
Im Blick auf sogenannte Hygiene- oder Querdenker-Demos gilt:
Zunächst einmal gibt es das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und
die Versammlungsfreiheit; und die Religionsfreiheit umfasst auch das
Recht darauf, Unsinn glauben zu dürfen. Begrenzt wird die Ausübung
dieser Grundrechte dort, wo die Grundrechte eines anderen Menschen,
etwa das Recht auf körperliche Unversehrtheit, gefährdet werden.
Es ist legitim, dass Menschen auf Demonstrationen ihren Meinungen,
Ängsten und Sorgen Ausdruck verleihen und Forderungen formulieren.
Gleichzeitig sind Veranstalter*innen und Demonstrant*innen dafür
verantwortlich, dass sie jenen, die dort eventuell antidemokratische oder
rechts- oder linksextreme Positionen vertreten oder Verschwörungsideologien in Umlauf bringen, deutlich widersprechen.
Zu sagen, „Mir ist es egal, wo jemand politisch steht, Hauptsache er ist
auch gegen die Corona-Maßnahmen.“, ist politisch naiv und gefährlich.

An wen kann ich mich wenden?

  • Dr. Matthias Pöhlmann, Landeskirchlicher Beauftragter der
    Evangelisch-Lutherischen Kirche für Sekten- und Weltanschauungsfragen, Tel. 089 559 5610
  • Bernd Dürholt, Beratungsstelle Neue religiöse Bewegungen im
    Evangelisch-Lutherischen Dekanatsbezirk München, Tel. 089
    538 868 617
  • PD Dr. Haringke Fugmann, Landeskirchlicher Beauftragter der
    Evangelisch-Lutherischen Kirche für religiöse und geistige
    Strömungen, Tel. 0921 787 759 16
Quelle Symbolfoto: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:ManWearingTinFoilHat.jpg
Dieses Werk wurde von seinem Urheber Drvec in der Wikipedia auf Englisch als gemeinfrei veröffentlicht. Dies gilt weltweit.
In manchen Staaten könnte dies rechtlich nicht möglich sein. Sofern dies der Fall ist:
Drvec gewährt jedem das bedingungslose Recht, dieses Werk für jedweden Zweck zu nutzen, es sei denn, Bedingungen sind gesetzlich erforderlich.

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